Kunstprojekt mit Malte Urbschat

Den Stiftungsrat hat’s überzeugt und so startete im Sommersemester 2015 das erste Projekt der Reihe: eine Kooperation des Grundkurses Kunst S2 mit dem konzeptionellen Bildhauer Malte Urbschat (geb. 1972).

Am 17.2. kam er das erste Mal in den Unterricht und stellte den Schülern seine Arbeiten vor – eine echte Herausforderung für die Gruppe – denn wer im aktuellen Kunstdiskurs nicht selbstverständlich heimisch ist, benötigt schon einen zweiten Blick, um seiner Arbeitsstrategie auf die Schliche zu kommen:
Das Material für seine Arbeit sind banale Gegenstände, Alltagsreste und Fundstücke – diese lädt er in ungewöhnlichen Kombinationen mit Bedeutungen auf und setzt sie zu Objekten zusammen, deren Sinn auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen changiert und sich weder eindeutig noch selbstverständlich erschließt.
Am Beispiel seines „Migränemobilés“ aber wurde offensichtlich, dass man auch in derart abstrakter Kunst „lesen“ kann. Einfühlsam und treffsicher spürten die Schüler schnell den Stimmungen und Bedeutungen nach, die das Objekt vermittelte.
In den folgenden Stunden ging es darum, in kleinen Übungen einen Zugang zu der Arbeitsweise Malte Urbschats zu gewinnen.
Auf der Basis dieser Vorarbeit schloss sich dann die Arbeit an einem eigenen „Gefühlsobjekt“ an. Es ging darum, eigenen Stimmungen, Träumen oder Ängsten nachzuspüren und diese in einem plastischen Objekt zum Ausdruck zu bringen.

Rasmus Börnsen Der davonschweifendeElla Scheerer Anspannung

(Bild 1  Rasmus B.: Der davonschweifende Gedanke im Reizüberfluss; Bild 2 Ella S.: Anspannung schnürt ein)

Diese Arbeit beschäftigte den Kurs über mehrere Wochen und zu jeder Stunde brachte Malte Urbschat neue Fundstücke mit: die Reste eines künstlichen Weihnachtsbaums, eine Satellitenschüssel, Bauklötze, Golddrähte, Deckel, Pailletten…
Es wurde gebohrt, gesägt, gehämmert und geklebt – und Malte Urbschat stand mit Rat und Tat zur Seite.
Am 7.7.2015 wurde die Ausstellung mit den Ergebnissen dieser Zusammenarbeit in der Galerie eröffnet – wie immer nach „allen Regeln der Kunst“ – mit einer richtigen Vernissage.

Petar Tosic Nightmare Lisa Nowakowski Into Darkness Egzon Sadikay Der mit dem Finger Urteilende

(Bild 3 Petar T.: Nightmare; Bild 4 Lisa N.: Into Darkness, Bild 5 Egzon S.: Der mit dem Finger Urteilende)

Und doch: Das war noch lange nicht alles! – Denn nun stand der zweite Teil des Projekts auf dem Programm: Neugierig und noch ein wenig schüchtern sammelten sich die Schülerinnen des Wahlpflichtkurses Kunst aus der Klasse 8 deshalb zwei Tage später im Kunstraum – wo sie von den Schülerinnen der Oberstufe schon erwartet wurden. Kleine Gruppen wurden gebildet, in denen die Oberstufenschüler ihren jüngeren Mitschülern zunächst die Arbeiten von Malte Urbschat vorstellten – und dabei einige didaktische Kompetenz an den Tag legten: Kleine Arbeitsaufträge wurden gestellt, Ideen gesammelt, Interpretationsansätze diskutiert – und die Schüchternheit verflog.
Gemeinsam zogen die Gruppen dann in die Galerie. Hier, in der Ausstellung, wurde offensichtlich und greifbar, was im Vorfeld vielleicht noch ein wenig fremd geklungen hatte: Wie es möglich ist, Gefühle und Stimmungen mit Alltagsobjekten zum Ausdruck zu bringen – anders lässt es sich nicht erklären, dass die Achtklässler im Anschluss an diese Führungen derart zielstrebig an die Umsetzung eigener Ideen gingen: Im Kunstraum stand ein Haufen Material und Werkzeug bereit, kleine Kärtchen mit einer Auswahl von Begriffen konnten als Anregung genutzt werden – nicht jede/r brauchte diesen Impuls: Die kreative Energie war fast mit Händen zu greifen. Und die Oberstufenschüler standen unterstützend zur Seite. Innerhalb von zwei Stunden entstanden lauter humorvolle, witzige, fein- oder tiefsinnige – in jedem Fall aber überraschende kleine Objekte.
Die Ergebnisse der Arbeit waren derart überzeugend, dass wir kurzerhand eine weitere Vitrine in die Galerie rückten, um sie gemeinsam mit den Arbeiten der „Großen“ auszustellen.

Gleich im Anschluss an den Workshop ging es in den Computerraum. Professionell unterstützt von Mitarbeiterinnen aus der Universität hatten wir nämlich im Vorfeld einen Online-Feedbackbogen entwickelt, in dem beide Gruppen die gemeinsame Arbeit beurteilen sollten.
Das Ergebnis liegt inzwischen vor und es fiel ausgesprochen positiv aus: Sowohl den älteren als auch den jüngeren Schülern hatte der Austausch Spaß und Anregung gebracht – die „Zufriedensheitswerte“, wie das wohl in der Fachsprache heißt, mit bis zu 92%iger Zustimmung können sich sehen lassen. – Eine schöne Bestätigung, die ahnen lässt, was manchem Pädagogen schon lange schwant: Schüler sind einfach die besseren Lehrer!

In diesem Semester begleitet die Illustratorin Christina Cohen-Cossen den Kurs und bringt uns die Technik des Holzschnitts nahe.
Wir sind gespannt, wie’s weitergeht!

Heidrun Kremser