Pop-Up der Moderne mit Antje von Stemm

Collage PopUp 1.2

Für das 8. Kooperationsprojekt, das im SS 2019 stattfand, konnten wir die Illustratorin und Pop-Up-Gestalterin Antje von Stemm gewinnen. Mit flottem Strich und viel Witz und Hintersinn gestaltet sie ihre Bilder und Bücher. Ihre Neugier auf das Pop-Up, eine Gestaltungstechnik, bei der sich beim Aufklappen eines Buches papierne Objekte dreidimensional entfalten, hatte sie zu Beginn ihrer Karriere sogar bis nach Amerika getrieben, wo sie sich in diese – ganz schön komplizierte! – Technik vertiefte.
Von ihrem Werdegang und davon, in welchen Schritten ein Pop-Up entsteht und wie die Anfertigung eines Pop-Up-Buches vor sich geht, berichtete sie den Schüler*innen des WP Kurses Kunst Klasse 10 bei ihrem ersten Besuch.
Außerdem hatte sie einen ganzen Stapel ganz verschiedener Pop-Up-Bücher mitgebracht, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie vielfältig die Möglichkeiten auf diesem Gestaltungsgebiet sind.
Zu Beginn jeder folgenden Stunde zeigte sie ein oder zwei neue Beispiele, die als Anregung dienen sollten – und so manche(n) zum Staunen brachten. Man konnte wirklich kaum glauben, was da alles aus den Seiten wuchs und in Bewegung kam! Wie nur funktionierte das?
Genau dieser Frage sollten wir ja in der nächsten Zeit nachgehen!
Zur Vorbereitung auf eine größere Projektarbeit ging es am Anfang darum, erst einmal  grundlegende Techniken des Pop-Ups zu erlernen. Zunächst eher experimentell, dann aber immer gezielter wurden Schnitte gesetzt, gefaltet und geklebt. Die ersten Ergebnisse waren nicht mehr als Fingerübungen – und doch entfalteten sie hier und da schon einen überraschenden Reiz. Schnell gelang es vielen der Schüler*innen, die technischen Prinzipien auch inhaltlich sinnvoll zu nutzen und charmante kleine Klappkarten zu entwickeln. Schnell wurde aber auch deutlich, dass die Sache ohne Planung, Geduld und Genauigkeit „nicht aufgehen“ würde. Nicht umsonst nennt man Pop-Up-Gestalter auch Papieringenieure! Und auch wenn unser Arbeitsansatz zunächst auf Versuch statt auf Berechnung setzte, spielten der gezielte Einsatz von Winkeln, Stegen und klaren Faltkanten doch eine wichtige Rolle.
Einfach so drauflos werkelnd stieß man irgendwo auf eine Grenze. Aber mit zwei, drei grundlegenden Prinzipien war schon eine ganze Menge anzufangen. Und zum Glück hatten wir ja Antje von Stemm dabei, die für jedes Problem irgendeine Lösung anbieten konnte.
Auf diese Weise präpariert machten wir uns zu einem Besuch in die Kunsthalle auf. Hier schwärmten die Schüler*innen durch die Sammlung der Moderne, betrachteten die ausgestellten Bilder und suchten sich eines heraus, das sie als Ausgangspunkt für eine Pop-Up-Umsetzung reizen würde.

Collage PopUp 2
In der anstehenden Projektarbeit sollten sie etwas Bewegung in die Kunst aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bringen. Dabei sollte es nicht nur um eine rein dreidimensionale Umsetzung des Bildes gehen, auch dessen Veränderung, interpretatorische Ansätze oder das Aufgreifen zentraler Bilddetails und deren Überführung in eine eigene Bildkomposition waren möglich. Eines aber durfte in keinem Fall fehlen: der Pop-Up-Effekt.
Konzepte wurden entwickelt, malerische Bildhintergründe erstellt oder Probekonstruktionen gebaut. Antje von Stemm war immer dann zur Stelle, wenn der entscheidende Kniff fehlte. So war es möglich, dass jede/r der Schüler*innen einen ganz individuellen Ansatz entwickeln und die passende Konstruktion für die eigene Idee auswählen konnte.
Manches bisher verborgene Genie kam plötzlich „zur Entfaltung“, aber für den einen oder die andere gab es auch ungewohnt harte Nüsse zu knacken – da war Durchhaltevermögen gefragt.
Nach und nach aber entwickelten sich die Dinge.
Thui fertigte mit ganz viel Sorgfalt und größter Liebe fürs Detail ein Miniatur-Atelier aus Papier, bei dessen Auffalten sich eine Staffelei, ein Schreibtisch, ein Stuhl und sogar eine Kommode mit einer kleinen Blumenvase aus der Fläche erhoben. Durch ein Fenster in der Rückwand dieses so „entstehenden“ Raums wurde der Blick in eine bunte Landschaft sichtbar – so hatte sie das Gemälde „Frühling – Blick aus dem Atelier“ von Adolf Erbslöh auf gleichermaßen originelle wie filigrane Art in ein ganz eigenständiges kleines Kunstwerk überführt.
Sophia widmete sich der erschreckenden Geschichte von „Absalom“ und arbeitet das Gemälde von Albert Weisgerber in eine dreidimensionale Waldlandschaft um. So traumhaft schön sie auch wirkte, seinem Schicksal entging Absalom auch hier nicht.
Um Leben und Tod ging es auch in der Arbeit von Luna. Auf sehr tiefgehende Weise hatte sie sich das Gemälde „Le mort de Max Ernst“ von Robert Desnos vorgenommen und in ihrer Pop-Up-Version interpretatorisch bereichert. Wo sich eine Tür öffnete oder eine Scheibe drehte, wurde der Übergang von der einen auf die andere Seite möglich und der Tod verlor seinen Schrecken.
Sabina war fasziniert von den dunklen, leeren Augen des „Junge(n) mit Spielzeug“, den Max Pechstein portraitiert hatte, und arbeitet das Gemälde in eine von vielen Augen umgebene, ins Unheimliche gesteigerte Version des Bildes um.

Untitled 11
So eroberten mit Hilfe der Schüler*innen nun auch August Macke, Franz Radziwill, Willy Baumeister, Franz Marc, Francis Bacon, Salvador Dali und Konsorten die dritte und vierte Dimension.
Neyla brachte ihr Know-How im Umgang mit der Videokamera ein und drehte kleine Clips, in denen die einzelnen Arbeiten aufgeklappt und in Bewegung vorgeführt wurden.
Das war mal ein ganz neuer Blick auf die Kunstgeschichte!

Auf dem Fest der Künste kurz vor den Sommerferien wurden die Arbeiten präsentiert und die Schüler*innen des WP-Kurses erläuterten ihren Mitschülern die Techniken des Pop-Up und ihre Konzepte.