Räume schaffen mit Susanne Szepanski

Oberstufenschüler kooperieren mit professionellen Gestaltern und geben ihre Erfahrungen an jüngere Mitschüler weiter

Szepanski1

Das dritte Projekt in der Reihe „Vom Kulturaustausch zur Austauschkultur“ fand im Sommersemester 2016 statt. Dieses Mal sollte uns die Architektin Susanne Szepanski begleiten. Susanne Szepanski leitet die Initiative „Architektur und Schule“ der Hamburger Architektenkammer und arbeitet schon seit vielen Jahren im Bereich der Architekturvermittlung mit Schulen und Kitas zusammen. Auch an unserer Schule war sie nicht zum ersten Mal. Und deshalb wussten wir schon, was für eine engagierte und anregende Kooperationspartnerin wir da gewonnen hatten – eine, die mutig neue Wege geht und sich auf Unbekanntes einlässt.

Und tatsächlich war das mit dem WP-Kurs Kunst Klasse 10 (Leitung: Heidrun Kremser) geplante Projekt schon ein kleines Wagnis: Der parallel laufende Theaterkurs hatte nämlich angefragt, ob wir an einer Zusammenarbeit Interesse hätten, in der wir den Bühnenraum für ein Theaterstück gestalten sollten – ein Theaterstück, das von den Schülern selbst entwickelt werden und deshalb erst im Lauf der Zeit entstehen sollte.
„Warum nicht – das ist doch eine spannende Sache!“ – mit diesen Worten hatte Susanne Szepanski auf die Anfrage reagiert und auch die Schüler/innen des Kunstkurses waren neugierig genug, um sich auf die Sache einzulassen.

Als Vorbereitung auf die praktische Arbeit ging es also zunächst um ganz grundlegende Fragen: Was ist Raum? Wodurch wirkt Raum? Und wie lässt sich Raum mit ganz wenigen Mitteln schaffen?
Begriffsarbeit, Bildanalysen und kleine praktische Übungen halfen uns, hier Antworten zu finden. Und als die SuS nur mit etwas Pappe und einigen Schaschlikspießen „Räume ohne Wand und Decke“ bauten, zeigte sich schon, dass sie sehr feinsinnig und auf ganz eigene Weise an diese Arbeit herangingen.

Inzwischen hatte sich auch im Theaterkurs einiges bewegt und wir wurden eingeladen, um einen Blick auf die ersten Arbeitsproben zu werfen: Ausgehend von dem Text „Bomp Song – untitled“ von Thea Dorn hatten sich die SuS mit dem Thema Alltag beschäftigt. In einer losen Folge von Szenen wollten sie zeigen, wie die Träume und die Lebendigkeit der Kindheit allmählich unter der Decke des Gewohnten ersticken.
Schon in ihrer Unfertigkeit kam die Kraft und Dramatik des Stückes zur Geltung – die „Künstler“ waren sichtlich beeindruckt und zollten den „Schauspielern“ ihren Respekt. – Aber dann waren wir doch alle erstmal ein bisschen ratlos:
Es war den Schauspielern nämlich mit ganz einfachen Mitteln schon selbst gelungen, den Raum als Teil  ihrer Inszenierung zu besetzen. Die Spielorte der Szenen wechselten, die Darsteller gruppierten sich auf der Spielfläche, nur mit ein paar Stühlen wurden Raum und Beziehung markiert. Was sollte der künstlerische Eingriff da an Verbesserung bringen?
Beide Kurse saßen am Bühnenrand zusammen und überlegten, verschiedene Ideenansätze wurden formuliert und diskutiert. Wände aus Stoff, die sich – von Schülern gehalten – im Lauf des Stückes bewegen?
Zulaufende Räume, die die Ausweglosigkeit der Thematik untersteichen? Keine schlechten Ideen, aber im Endeffekt vielleicht doch eher eine Störung des Spielablaufs? Langsam reifte die Erkenntnis: Wir müssen umdenken – welche künstlerischen Mittel gibt es noch? Und dann zeichnete sich die Lösung langsam ab: Mit Bildprojektionen im Hintergrund wollten wir versuchen, die Atmosphäre des Stückes weiter zu verdichten.
Die Idee fand Zustimmung – und in der nächsten Stunde sprangen wir alle zusammen ins kalte Wasser.
Gut, dass Susanne Szepanski eine echte „Allrounderin“ ist, die bereit und in der Lage war, ihre Ideen nun in diese ganz andere Art der Arbeit einfließen zu lassen.

Szepanski2

In kleinen Gruppen ordneten sich die SuS den verschiedenen Szenen zu und überlegten, in welchen Bildern und Abläufen sich deren Aussage und das Gefühl von Alltag zum Ausdruck bringen ließe. Sie filmten kleine Abläufe oder schnitten Bilder zu Trickfilmen zusammen und näherten sich diesem nicht einfachen Thema
überraschend vielfältig und konzeptuell:

Sena und Ayleen setzten Zahnräder aus dem Legokasten zusammen und filmten deren Bewegung im Schattenriss, Noah und Flora sammelten Zeitungsschlagzeilen und blendeten diese Fundstücke des ganz alltäglichen Schreckens ineinander, bei Mathilde bewegte sich ein animierter Punkt in einem Labyrinth, ohne des Ausweg zu finden, Hanna verdunkelte eine Bildfläche in kleinen Stücken nach und nach bis zu einem fast vollständigen Schwarz, Marina und Malina inszenierten hinter einer Schattenwand ihre Mitschüler, wie sie – selbst bloß noch anonyme Körper –  hintereinander in nicht endender Reihe die Bildfläche durchschritten, Mojtaba und Joyleen beschleunigten die Bewegung einer gezeichneten Spirale im Film von der Zeitlupe bis zum optischen Flimmern immer mehr und zeigten damit, dass dem Protagonisten sein Leben langsam entgleitet Muriel und Lilly entwickelten im Trickfilm eine Struktur, die an ein zerspringendes Glas erinnerte und damit das Finale des Stückes versinnbildlichte, in dem der Protagonist unter dem Druck des Alltags zerbricht.
Etwas unfertig und technisch unausgereift waren unsere Filme noch, als wir sie das erste Mal versuchten, mit den Theaterszenen in Einklang zu bringen – aber es war wie im richtigen Leben: Die Zeit drängte, die Premiere stand bevor. Filme und Szenen mussten zeitlich aufeinander abgestimmt, Redundantes musste gekürzt, Fehlendes ergänzt werden. Der Eindruck blieb noch etwas unklar und wir konnten nicht sicher sein, dass die Sache klappte.
Eine Doppelstunde blieb uns noch, um letzte Hand anzulegen – dann musste sich beweisen, ob das Vorhaben aufgehen würde.

Am 20.06.2016 strömten die SuS der Klassen 10 dann in die Aula, gespannt saßen auch die SuS des Kunstkurses in den ersten Reihen, als es dunkel wurde und das Stück begann. Auf einer großen Leinwand hinter der Spielfläche wurden unsere Filme projiziert, zu jeder Szene und als Übergang von Szene zu Szene hatten wir die verschiedenen Filme nun in eine passgenaue Reihenfolge gebracht und die Musik, die zwischen den Szenen dazu eingespielt wurde, schloss Spiel und Projektion zu einem Ganzen zusammen.

Das Feedback der Lehrer und Schüler nach dem Stück fiel dann auch entsprechend positiv aus. Die Videos aus dem Hintergrund wurden in ihrem besonderen Charakter erfasst und als enorme Bereicherung empfunden – und die Künstler bekamen ihren Teil vom Applaus ab. Die Anstrengung hatte sich gelohnt!
Und bei unserem großen „Fest der Künste“ am 14.07. konnten Schüler, Eltern und Lehrer die besten Szenen noch einmal verfolgen!

In den verbleibenden Stunden des Semesters schloss sich dann der Kreis – von der Frage: Was ist Raum und wodurch wirkt er? waren wir ausgegangen – nun wollten wir die Antwort praktisch geben und machten uns daran, für die Szenen des Theaterstücks, das uns inzwischen wohlvertraut geworden war, Modelle für Bühnenräume zu schaffen. – Für jede Szene eins, das die jeweilige Athmosphäre aufgreifen sollte. Im Modell war es möglich, Raumkonstellationen zu entwickeln, die wir in Wirklichkeit nie hätten umsetzen können. Da war sie ja wieder – die Architektur!

Im Peer-to-Peer-Workshop kurz vor den Sommerferien erläuterten die Zehntklässler ihren jüngeren Mitschüler/innen dann unser Projekt. Gemeinsam wurde auch hier zunächst im Gespräch und dann beim Bau kleiner Stehgreifmodelle dem nachgespürt, was Raum ausmacht. Und wieder zeigte sich, dass die SuS komplexe Sachverhalte verständlich und anregend weitergeben konnten.
Nun hatten wir die großen Ferien verdient!